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vor 1900

vor 1900

Mein Weihnachten

In vorindustrieller Zeit hatte das Weihnachtsfest im katholischen ländlichen Raum ausschließlich religiösen Charakter. Der Heilige Abend war ein normaler Arbeitstag und der letzte Fastentag vor dem Fest. Das Haus wurde noch einmal gereinigt, die Ställe ausgemistet und letzte Vorbereitungen getroffen. Die Bezeichnung „Weihnachten“ war im westlichen Münsterland noch unüblich. Hier sprach man vom Middewinter.

Am Tage vor Weihnachten holte sich jeder Hausbesitzer Weihwasser aus der Kirche. Damit segnete der Hausvater am Abend die Wohn- und Stallgebäude. Am frühen Morgen besuchten die Mitglieder des Hausstandes die Frühmesse, die sogenannte Ucht. Nach dem Gottesdienst nahm die Familie ein großes gemeinsames Frühstück ein. Eine besondere Spezialität bildete dabei der „halbe Kopp“, eine gekochte Schweinebacke mit Zwiebeln.

Geschenke für die Kinder oder die Familie gab es zu Weihnachten nicht. Der Gabenbringer dieser Zeit war der Heilige Nikolaus, Gaben gab es daher am 6. Dezember. Die Kinder erhielten am Weihnachtstag lediglich einige Süßigkeiten und die Knechte und Mägde erhielten eine vertraglich vereinbarte Sachgabe, wie Leinen und Holzschuhe. 

Einen Weihnachtsbaum kannten um diese Zeit nur wenige Bewohner der ländlichen Gegend.

Gaben & Geschenke

Wer feierte an diesem Tisch Weihnachten?

Kernfamilie: Bauer und Bäuerin, 5 Kinder
Konfession: katholisch
Angehörige: Großeltern
unverheirateter Bruder des Bauern
Bedienstete: 2 Knechte, 1 Magd

Um 1900 waren die Bauernhöfe landwirtschaftliche Gemischtbetriebe, die wenig für den Markt produzierten und im eigenen Betrieb fast alles anbauten, was sie selbst verbrauchten. Sie wirtschafteten mit wenig Technik und benötigten zur Nahrungsmittelerzeugung viele Arbeitskräfte, die selbstverständlich zuerst in der eigenen Familie rekrutiert wurden. 
Ende des 19. Jahrhunderts betrug die durchschnittliche Größe der Betriebe zehn ha. Damals bestand die Hälfte aller Höfe aus Besitzungen unter fünf ha, und die klein- und mittelbäuerlichen Betriebe bis zu zwanzig ha bestimmten die landwirtschaftliche Betriebsgrößenstruktur in Westfalen-Lippe.

Die fiktive Familie in unserem Beispiel umfasst drei Generationen, ein mögliches, aber nicht sehr wahrscheinliches Szenario, was die Anwesenheit der Generationen betrifft. 
Nur wo Höfe an relativ junge Leute übergeben wurden und die alten selbst noch in den besten Jahren standen, konnte es zu Konstellationen kommen, die für eine Dreigenerationenfamilie günstig waren - dem aber standen wirtschaftliche Überlegungen und Probleme des Sozialstatus der Alten entgegen. Die Familienverhältnisse wurden durch weitere Faktoren beeinflusst. Durch die große Sterblichkeit der Frauen im Kindbett kam es häufig zu Mehrfachheiraten der Männer und damit zur Existenz von Halbgeschwistern. Überlebte dann eine relativ junge Frau den Altbauern, war es nicht selten, dass im Falle ihrer Wiederverheiratung der Hoferbe mit den Altenteilern nicht mehr (bluts-)verwandt war - Umstände, die dem Klima des Zusammenlebens nicht eben förderlich waren und sich oft genug in Konflikten niederschlugen (Erbstreitigkeiten). Das harmonisch mit seinen Eltern und alleinstehenden Geschwistern nebst zahlreichen Kindern auf einem Hofe lebende Bauernpaar darf also getrost als Wunschbild bezeichnet werden. Die Stabilität der tatsächlichen Verhältnisse wurde nicht durch Harmonie, sondern durch Hierarchie erreicht.
So ist auch der Gabentisch kein Gabentisch, sondern ein Esstisch, der eher die Betriebs- Struktur des kleinen Hofes wiederspiegelt.

Kaffeekanne; Porzellan; 1900-1920
Kaffeekanne; Porzellan; 1900-1920
Teller; Steingut, Villeroy & Boch; 1850-1920
Teller; Steingut, Villeroy & Boch; 1850-1920
Aussteuer-Leinen; Leinen, gewebt; 19. Jahrhundert
Aussteuer-Leinen; Leinen, gewebt; 19. Jahrhundert
Holzschuhe; Weide; Anfang 20. Jahrhundert
Holzschuhe; Weide; Anfang 20. Jahrhundert
Servierplatte; Steingut; 1850-1920
Servierplatte; Steingut; 1850-1920
Ausstellung Objektschau