1960
Mein Weihnachten
Während dieses turbulenten Jahrzehnts mit dem Bau der Berliner Mauer, den Besuchen von John F. Kennedy, Queen Elisabeth II. und Schah Reza Pahlevi in der Bundesrepublik Deutschland, beginnender Ostermärsche und Studentenunruhen steigt der Wohlstand der Bevölkerung zusehends. Die zunehmend konsumorientierte Haltung der Menschen zeigt sich auch im Festtagsverhalten der Bundesdeutschen.
Üppige Festessen, großzügiger Alkoholkonsum und ungehemmter Genuss von Tabakwaren gehören ebenso zu Weihnachten wie großzügige Geschenke innerhalb der Kleinfamilie. Nach dem Kirchgang am Heiligabend folgt die Bescherung, eingeleitet von einer kindlichen Blockflöten-Darbietung. Unter dem üppig mit Silberschmuck behängten und elektrisch beleuchteten Weihnachtsbaum finden sich Bücher und Märchenschallplatten, Kleidung und viel technisches Spielzeug für das Kind – auch Puppen werden mit verschiedensten Mechanismen ausgestattet. Die Mutter freut sich über moderne Haushaltsgeräte und praktische Dinge aus Kunststoff. Für den Alleinverdiener findet sich dort neben den bekannten „SOS“-Geschenken der elektrische Rasierapparat aus der Fernsehwerbung. Auch Campingzubehör für den geplanten Familienurlaub und Sportgeräte werden angeschafft.
Bei Verwandtenbesuchen und dem obligaten Weihnachtsspaziergang werden die Neuerwerbungen stolz präsentiert.
Gaben & Geschenke
Wer feierte an diesem Tisch Weihnachten?
Kernfamilie: Vater Angestellter;
Mutter Hausfrau
1 Kind
Konfession: katholisch
Das schon für die 1950er bezeichnende Wirtschaftswunder wird in den 1960ern noch mehr Fahrt auf. „Meine Frau geht nicht Arbeiten, das haben wir nicht nötig, was sollen denn die Leute denken?!“, mag der Vater der Familie, die an so einem Gabentisch gefeiert haben könnte, gesagt haben. Ohne seine Genehmigung hätte seine Frau dies auch noch gar nicht gedurft, dies änderte erst ein Gesetz der 1970er Jahre.
Dieses Bild von Geschlechterrollen wird auch in Erziehung und Geschenke-Auswahl deutlich. Jungs- und Mädchenspielzeug sind klar voneinander abgegrenzt. Insgesamt wird das Wunschkind wird mit Geschenken bombardiert – die wirtschaftliche Situation macht es möglich und außerdem: „Du sollst es einmal besser haben als wir!“ und „Das machen wir doch nur für Dich!“
Die Auswahl der Geschenke – für das Kind wie für die Eltern – drück auch den Fortschritts- und Technik-Gläubigkeit der Zeit aus. Alles erschien machbar. Man gab sich vorbehaltlos und mit großem Optimismus der Hoffnung auf eine „bessere Welt" hin. Nahezu alles schien machbar und beherrschbar; sogar der Weltraum. Deutschland lebte nach dem Motto „höher, schneller, teurer, besser.“ So waren die 60er auch die Zeit der ersten Urlaubsreisen – vielleicht mit dem ersten eigenen Auto nach Italien, um im „dolce vita“-Gefühl zu lernen, wie man richtig Spaghetti isst.